Bremen sieht rot

Täglich grüßt die rote Ampel. Und zwar sagt sie nicht nur einfach kurz „Hi“… Die Bremer rote Ampel ist ein richtiges Plappermaul. Sie denkt gar nicht daran, schnell wieder zu verschwinden. Seit meinem Umzug nach Bremen ärgerte ich mich auffällig häufig über das Herumstehen vor Ampeln. War ich vielleicht zu ungeduldig geworden? Inzwischen bekomme ich fast täglich mit, wie sich auch die wartenden Bremer neben mir laut über die langen Rotphasen aufregen. Dabei mögen Bremer eigentlich Rot. Es gibt im coolen Viertel mit Namen „Das Viertel“ eine bekannte Rotlichtstraße und schließlich sieht die Flagge Bremens so aus:

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lebenslang rot-weiß

Kann man die Zeit des Wartens auf Grün sinnvoll nutzen? Pläne schmieden, kopfrechnen, beten, Vokabeln trainieren, Gedichte aufsagen, … Kein Versuch hat mich bisher so richtig überzeugt. Telefonieren ist aufgrund des lauten Verkehrs auch nicht die beste Lösung. Und so bleiben die Bremer beharrlich stehen und starren auf Rot… DIE Signalfarbe, die Farbe der Liebe, die Farbe des Bluts, die Farbe des Bordelles. Wie soll man da selbst als Norddeutscher noch den kühlen Fischkopf bewahren? Ich summe das berühmte „lebenslang grün-weiß“ der Werder-Fans vor mich hin. Selbst diese stolze Hymne wirkt jetzt fast so, wie ein frommer Wunsch, der erst nach der Ampelapokalypse wahr wird. Grün ist die Farbe der Hoffnung – die Farbe Werder Bremens. Aber nicht die, der Bremer Ampeln.

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… und täglich grüßt das rote Tier.

Vielleicht sind wir Deutschen aber auch selber schuld. Londoner Freunde zeigten sich bei ihrem Besuch in Hamburg amüsiert darüber, dass bei uns alle brav an der roten Ampel stehen bleiben. Selbst wenn die Straße eigentlich frei ist und es keinen ersichtlichen Grund gibt zu warten, hält ein rotes Licht die Deutschen davon ab, die Straßenseite zu wechseln. „Das ist doch total ineffizient!“ Stimmt vielleicht. Allerdings wurde ich letztens erst von einem Polizisten zurückgepfiffen, als ich eine autoleere Straße bei rot überqueren wollte.

Selbst im Bremer Bürgeramt zeigte man mir vorerst die rote Karte. Pflichtbewusst wollte ich mich am Tag meines Umzuges in meiner neuen Stadt anmelden. Das tat ich zuvor bereits fünf Mal in Ämtern andere Städte und immer war es eine Angelegenheit von höchstens 1,5 Stunden inklusive Wartezeit. In Bremen musste ich mir für diesen Vorgang einen Termin geben lassen. Der nächste freie Termin zum Anmelden, den man mir vorschlug, lag drei Wochen in der Zukunft.

„Ihr habt die Uhr – Wir haben Zeit.“ Wer bisher dachte, dies sei ein afrikanisches Sprichwort, weiß ab jetzt, dass es aus Bremen kommt. An dieser Stelle wollte ich eigentlich über Jonny Lang ablästern, der an roten Ampeln gerne ein Lied singt und ruhig durchatmet. DAS IST WEICHGESPÜLTER SCHWACHSINN, wollte ich dazu sagen. Inzwischen bin ich selber weichgespült oder zur Vernunft gekommen. Ich mag sein Lied und ich denke, irgendwie hat er recht.

Liegt im roten Licht des Alltags vielleicht doch mein Glück? In Zukunft möchte ich versuchen, das gezwungene Verweilen für mich in Anspruch zu nehmen – als Zeitgewinn. Und ehrlich gesagt, ist bisher auch in Bremen noch jede rote Ampel irgendwann grün geworden. Ende grün, alles grün.

Lasse Holstenbeck.

2 Gedanken zu “Bremen sieht rot

  1. ach, ein red light special nach 22 uhr. love that one! ich höre augenblicklich auf, whitney houston zu hören 🙂 mag deinen blick auf die welt/stadt.

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